Ich finde es & es findet mich
…thematisierte künstlerische Ansätze, die sich mit vorgefundenen baulichen Situationen auseinandersetzen.
Von Ende 2014 bis Mitte 2015.
Ausstellung
Das Haus am Wehrsteg ist reich an Geschichte. Mit seiner Architektur, städtebaulichen Lage als prägnantes Ensemble gemeinsam mit dem Wehrsteg sowie seiner historischen wie aktuellen Konzeption als ganzheitliches Künstler-Haus lädt es ein zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Frage:
Was ist ein Künstler-Haus heute und wie beabsichtigt zeitgenössische Kunst ein solches zu besetzen?
In ich finde es & … sind exemplarisch unterschiedliche gestalterische Ansätze vertreten, welche diese Frage aus ihrer jeweiligen Perspektive zu beantworten wissen.
Ansgar Frings aus Mainz reflektiert mit speziell für den Außenbereich des Hauses zum Neckar und Steg hin entworfenen Aneignungs-Objekten, wie Öffentlichkeit unvermittelt zum Teil des künstlerisch-konzeptuellen Netzes einer Ausstellung werden kann. Frings‘ Möbel sind auf unkonventionelle Weise mit der Architektur des Gebäudes und dem öffentlichen Raum gleichermaßen verschränkt, laden zum betrachten, reflektieren und verweilen ein. Wo sich sonst Wege kreuzen wird ein Platz der Ruhe auf Zeit geschaffen. Auch nachts lassen sich diese Objekte als Tribüne für einen Blick durch die Fensterfront nach innen aneignen.
Durch den Heidelberger Lyriker und Computer-Linguisten Thomas Haider entsteht gemeinsam mit Matthis Bacht das Bild-Objekt Ave Eva (#Eva III) – das die biografischen Spuren beleuchtet, welche Vargas in den Räumen des ehemaligen Transformatoren-Hauses hinterlassen hat. Visuell kann diese Arbeit auch für die Umschichtung und Funktionalisierung von biografischer Oberfläche eines Gedichts und einer Portraitfotografie in neue Sinnzusammenhänge stehen. Ein weiteres Stück Einrichtung in einem Künstler-Haus, auch im übertragenen Sinn. Haider, der wiederholt mit Bacht zusammen arbeitete, formuliert mit dieser Arbeit auch eine Reflexion der generellen Arbeit an den Kapiteln einer künstlerisch-produktiven Auseinandersetzung an diesem stark frequentierten Ort – gegrüßt seist du Eva.
In Heidelberg und für das Haus am Wehrsteg entwickelt Carlotta Werner (Hamburg) einen Deckenfries: Haus – Fluss – Brücke – Natur, der in seiner Gestaltung und Farbgebung Bezug auf die besondere Lage des Hauses nimmt, an der sich der graugrüne Neckar mit der türkisgrauen Stahlbrücke, dem Rot der glasierten Ziegel des Hauses und den Grüntönen der herbstlichen Natur kreuzen und verweben. Damit nimmt Werners Arbeit mit der mosaik-artigen, quadratischen Grundstruktur des Frieses auch formale Merkmale der großformatig gewebten Teppiche (Samimi) von Veronika Helvacioglu (Istanbul) und Anna Heidenhain (Berlin/Istanbul) auf.
Heidenhain und Helvacioglus Arbeiten für das Haus am Wehrsteg aus dieser Serie der Samimi sind aus dem Rohmaterial Anschnallgurte gewebte großformatige Teppiche, die in der Ausstellung künstlerisches „Unterwegs-Sein“ und dessen Gefährdungen kommentieren. Dabei lassen sie auch an die Innenräume des Hauses als ehemals zwischen-genutztem Wohnraum einer Künstlerin denken. In diesem innovativen künstlerischen Upcycling wird deutlich: Ein Material kann am Anfang, nicht am Ende eines Herstellungsprojektes stehen und diesen prägen. Die übersetzte Bedeutung des Namens dieser Objekte stammt aus dem türkischen und steht für echt, wahr & ehrlich oder auch ein wirklich guter Freund, Wohlbefinden und Vertrauen – also Synonyme für einladende Atmosphäre und Offenheit.
Die in „ich finde es & es findet mich“ neben dem Deckenfries (Haus – Fluss – Brücke – Natur) weiterhin vertretenen Arbeiten von C. Werner setzen sich in vergleichbarer Form mit vorgegebenen Inhalten und deren gestalterisch-produktiver Synthese mit einem Ort auseinander. Die im Haus am Wehrsteg gezeigte Schalenserie Über den Dächern von Istanbul und die graphischen Himmelstudien 41°1’31’’N 28°58’40’’Oentstanden unter ähnlichen Rahmenbedingungen während eines Artist-In-Residency Aufenthalts in Istanbul. Sie eignen sich in ihrer Form die dortige Dachlandschaft und Bewegungen über der Stadt am Bosporus an. Für ich finde es & … werden diese entsprechend der Ausstellungsarchitektur zu neuen Ansichten arrangiert.
Durch Anna Heidenhain entstand in Zusammenarbeit mit Matthis Bacht für die Ausstellung und das Haus am Wehrsteg dauerhafte Licht-Installation ich finde es & es findet mich an der Fassade des Haus am Wehrsteg:
Im Normalfall für Werbebotschaften genutzte metallene, weiß beschichtete Buchstaben zieren ringartig die Außenwände des Turmes und bieten von den zwei Hauptzugangswegen zum Gebäude aus, dem Wehrsteg und dem ehemaligen Treidelpfad am Neckarufer, unterschiedliche Ansichten. Tags, aber auch nachts, hell angeleuchtet zeigen sie: Wer den Wehrsteg überquert, der findet – wer vom Neckar kommt, der wird gefunden. Damit schließt sich auch ein inhaltlicher Kreis mit Ansgar Frings Arbeiten im Außenraum – den Aneigungsobjekten.
In den Ausstellungsräumen im Inneren des Hauses gestaltet Bacht eine Installation, welche sich durch die Räume der ehemaligen Halle zieht und dabei mittels einer filigranen Konstruktion aus Eisen-Elementen Details der spätexpressionistischen Fensterfront (Architekt war Paul Bonatz) zum Neckar hin aufnimmt: Fenster zum Wasser. Als Negativ-Abdruck wird so ein gebautes Kunstwerk sichtbar, das in seiner Form die Hülle des Haus am Wehrsteg zum Inhalt hat und für das Künstlerhaus an sich stehen kann. Im räumlichen Zusammenspiel mit Werners Deckenfries und Heidenhain‘ & Helvacioglus Teppichen, den Samimi und Frings, Schmotts und Haiders Arbeiten ensteht die philosophische Reflexion eben dieses Künstler-Hauses aus verschiedenen Perspektiven.
Eröffnung
Zur Eröffnung erfogte eine Einführung in die Ausstellung durch Yasmin Meinicke (Heidelberger Kunstverein) und Stefan Hohenadl (Kulturamt).
Auszüge aus dem durch Yasmin Meinicke für den Anlass entwickelten Format eines Interviews der Künstler duch die Besucher mittels vorbereiteten Fragen finden sich hier:
/ ?? / Was war für dich bei der Arbeit an diesem Ort anders, wie an einem Ort 2013 in der Türkei, an dem du eine ähnliche Arbeit verwirklicht hast ?
Carlotta Werner: Für mich stand die Arbeit mit dem Haus im Vordergrund. Ich wusste vorab von dem Teppich, den Anna und Veronika hier verwirklichen wollen und habe dann hier diesen Knotenpunkt vorgefunden, als ich das erste Mal da war. So ist aus diesem Zusammenspiel der Kenntnis der anderen Arbeiten und der Situation, Fluß, Brücke, Haus und wilde Natur die neue Arbeit für das Haus entstanden, in der sich auch alles kreuzt, was dieses Haus speziell macht.
/ ?? / Hattest du eine künstlerische Idee, bevor du hierhergekommen bist, oder ist die Idee vor Ort enstanden ?Matthis Bacht: Für mich ging die Arbeit am Gebäude fließend vom Umbau in die Künstlerische Arbeit mit dem Ort über – der Ort sollte für Künstler gemacht werden – so zum Beispiel mit einer eingebauten „Nische Für Kunst“ und Zwischenfenstern, die jetzt als Präsentationsfläche genutzt werden. Am Ende stand der Entschluß, diese Erfahrung mit anderen Künstlern zu teilen: So wie mich das Thema dieses Hauses und damit der Ort immer mehr gefunden hat, so soll er von nun an auch andere finden. Dafür steht auch die kooperativ mit Anna Heidenhain umgesetzte Lichtinstallation, welche das Gebäude dauerhaft von allen Seiten bespielt und zum Erkunden und Nachdenken einlädt.
Einblicke
Carlotta Werner – Produktion von Arbeiten in Sishane/Istanbul:
Veronika Helvacioglu und Anna Heidenhain während der Produktion des Teppichs Samimi A für die Ausstellung:
Die Ausstellung ich finde es & es findet mich wird unterstützt durch die Schlosserei WEESE & Metallbau GmbH in Heidelberg-Rohrbach.