Super-Natural



Eine Ausstellung zum Thema Natürlichkeit, künstlerische Produktionsbedingungen und Atelier-Situationen im neu eingerichteten Kabinett des Hauses – zwischen April und Oktober 2015.

Ausstellung & Künstler


Zur Einführung sprach Barbara Auer, Direktorin des Ludwigshafener Kunstvereins. Es stellen auf engem Raum insgesamt vier Künstler und eine Künstlerin gemeinsam aus. Dabei sind die Medien Fotografie, Grafik, Zeichnung, Objekt und Skulptur vertreten.

Alex Wissel (Düsseldorf) thematisiert in seinen Arbeiten und performativen Projekten immer wieder die sozialen und markt-orientierten Aspekte von künstlerischen und bildnerischen Vorgehensweisen. Häufig wohnt den Ergebnissen ein theatralisches Moment inne, nicht frei von Ironie aber auch immer nah an der individuellen Erlebniswelt des Menschen. Gemeinsam mit Jochen Weber (Hamburg) gründete er den Mercedes-Benz-Vagabund.

Aufsehen erregte er zuvor im Rheinland mit seinem über mehrere Monate angelegten Single-Club: Vordergründig einem „Club“, im eigentlichen Sinn aber einer sozialen und im monatlichen Wechsel von KünstlerInnen inszenierten Performance. Der Single-Club verortete sich in der Tradition Düsseldorfer Szene-Kultur wie etwa der des Ratinger Hofs. Zum Abschluss entstand daraus der Film Single, in Szene gesetzt durch den Kölner Regisseur Jan Bonny. Demnächst führen ihn seine Aktivitäten nach Tel-Aviv.


Hiroyuki Murase, ein ebenfalls hauptsächlich in Düsseldorf wirkender Künstler, zeigt in Super-Natural seine fotografische Arbeit Octopus aus dem Jahr 2006.

Murase stammt ursprünglich aus einer Insel-reichen Gegend zwischen Tokyo und Kyoto in Japan. Würde man seine Arbeit „Octopus“ dementsprechend wohl zunächst als eine Untersee-Aufnahme eines Tintenfischs aus dem Pazifik einordnen, zeigt sich beim genaueren Blick auf seine Biografie stattdessen ein anderes Motiv: In Wahrheit entstand die Aufnahme Octopus auf der anderen Seit der Weltkugel, im Düsseldorfer Sea-World-Aquarium, zu einer Zeit als Murase in Düsseldorf Baukunst studierte. Es offenbart sich die Beschäftigung Murase’s mit der Verschiebung von Wahrnehmungen und Natürlichkeit. Man könnte meinen, in der großformatigen und hand-entwickelten Schwarz-Weiß-Fotografie eine Sehnsucht nach Authentizität und Naturverbundenheit zu erkennen.

Heute wirkt der Künstler außerdem als Gestalter und Chef der jahrhundertealten Familien-eigenen Handwerkskunst des Shibori; einer elaborierten Form des Färbens und Knotens feiner Stoffe zu in sich stabilen Strukturen.


Die Heidelberger Künstlerin Roswitha Pape verfolgt einen technisch verwandten Ansatz, indem Sie bewußt in der traditionellen Verfahrensweise des Holzschnitts arbeitet und diese mit dem modernen Medium der Fotografie verbindet.

In ihrer Arbeit Dornröschen zeigt sich diese Herangehensweise und bildnerische Strategie eines dokumentarischen, wachen und am Medium orientierten Blickes. Dornröschen verdeutlicht in verdichteter Form verschiedene inhaltliche Aspekte:

Zuerst eine dokumentarische Außenansicht des Gartens des Haus am Wehrsteg basierend auf einer von der Künstlerin aufgenommenen Fotografie aus dem Jahr 2011 – wir erkennen darin den durch den damaligen Leerstand verwilderten Garten sowie die Silhouette eines Teils des Hauses. Es fällt auf, wie selbstständig, Bild- und Format-bestimmend die wuchernden pflanzlichen Strukturen sich organisch mit den Überresten und Teilen von  Werken Vargas‘ (der vormaligen Pächterin des Anwesens) verbinden. Die kontrastreiche Technik des Holzschnittes wirkt hier – genau wie die gezeigte Natur! – verbindend und die Szenerie im Material Holz zusammenfassend.

Auf einer zweiten Ebene erkennen wir über die Thematik von Papes Werk einen Kommentar auf die künstlerische Atelier-Arbeit im weitesten Sinne: Oftmals erkennt der Künstler auf einen wie Papes forschenden, wachen Blick hin erst die maßgeblichen Strukturen in welchen sein Werk Form annehmen kann. Der Titel Dornröschen könnte hier für die noch schlafende Eingebung stehen, wartend auf ebendiesen wachen künstlerischen Blick – oder für ein Interesse, das gefunden werden will.

Gaetano Pesce (Italien) steht für kreative Ideen, die seit den 1970er Jahren dem intenationalen Gestalten wichtige Impulse geben. Für B&B Italia entwarf er 1970 den „Fuss“ – einen Sessel oder besser Sitzmöbel, dass in seiner Funktion nicht so recht einzuordnen ist. Ein aus Hartschaum gepresster, bronze-farben aussehender überdimensionaler und realistischer Fuss fügt wohl nahezu jedem Ort einen surrealen und zugleich überaus physischen Kommentar hinzu. Der Betrachter sieht unvermittelt wie durch die Lupe einen Teil von sich selbst, von seiner Natur als hochkulturellen Gegenstand. In der Regel würde er ihn jedoch wohl kaum für präsentabel halten. Pesces Werk funktioniert in der Ausstellung Super-Natural als ein Fixpunkt, durch den sich der Ausstellungsbesucher auf das Physische zurückbeziehen kann.

Matthis Bacht zeigt in Super-Natural zwei Werke. In einem Objekt aus dem Jahr 2009, Kiste XI (horror vacui), kommt die Angst vor dem leeren Raum als Ausgangspunkt jeder gestaltenden und bildenden Tätigkeit zum Ausdruck. An ihm lässt sich die Frage festmachen, inwiefern sich in der Arbeit, aber auch den anderen gezeigten Werken dieser schwierige Punkt eines kreativen Prozesses ablesen lässt. Auch der Ort der Ausstellung selbst, das nur wenige Quadratmeter große Kabinett gefüllt mit einer großen Anzahl an Kunstwerken, bekräftigt eine mögliche These des Arbeitens von Kunst gegen einen leeren Raum.

In einer zweiten Arbeit, einem Wandobjekt, wird der Zaun als Natur-Begrenzung einerseits, der Rahmen als Kunst-Begrenzung andererseits in einem Objekt zusammengeführt – in der skulpturalen Verbindung verschiedener Elemente in einem Objekt weist die Arbeit über die bloße Funktion hinaus und regt zum Umdenken über die Natur der Dinge an.

Die Ausstellung im Gesamten reflektiert verschiedene Aspekte und Bedingungen künstlerischen Handelns im Atelier und an künstlerischen Orten.

Mark